=== Für die Leser meines Weltwärtsberichtes IV: Der Text ist identisch. Für Bilder s. Weltwärtsbericht!===
Das letzte mal. Das erste mal.
Liebe Leserinnen und Leser,
„Die Koffer sind gepackt, die geliebten Menschen verabschiedet. Ich sitze im Taxi auf dem Weg zum Flughafen, dem Ort, wo ich in den vergangenen 13 Monaten unzählige Menschen ankommen und Tansania verlassen sah. Eines Tages am selben Ort stehen zu müssen und durch die Sicherheitsschleuse zu gehen, kam mir so surreal vor, wie die Tatsache nach Deutschland zurückzukehren. Ein Traum, der sich dem Ende neigt und mich zurück in eine Welt wirft, die nur noch am Rande meines Bewusstseins weiter existiert hat.
Ich blicke zurück auf eine Zeit voller wertvoller Momente. Momente der Freude und der Trauer, des Glücks, der Niedergeschlagenheit und der Liebe. Gleichzeitig aber blicke ich vorwärts. Stelle mich einer neuen und aufregenden Zeit in Deutschland und freue mich auf das Wiedersehen mit geliebten Menschen. Unglaublich viel nehme ich aus dieser Zeit mit in die alte Heimat, was mich mein ganzes Leben begleiten wird. Jetzt, in diesem Augenblick empfinde ich Wehmut gepaart mit Vorfreude. Aber vor allem eines: Dank. Dank gegenüber allen Menschen, die mich unterstützt und dieses Jahr zu meinem Jahr gemacht haben. Dank meinen großartigen Spendern, meiner Familie, den herzensguten TanCraft Frauen, meiner Organisation Kawaida e.V. und ganz besonders meinen Freunden in Deutschland und Tansania habe ich jeden Augenblick meiner Arbeit und meines Lebens hier in vollen Zügen genießen dürfen. Dank Ihnen und Euch hatte ich eine einmalige, wunderschöne und erfüllende Zeit in Tansania verbringen dürfen. Jetzt heißt es ein letztes mal „Kwaherini!“ (Lebt wohl!) zu sagen, den letzten und gleichzeitig ersten Schritt zu tun und mit Dankbarkeit nach vorne zu schauen, auf einen neuen Lebensabschnitt.“
So, oder so ähnlich, hätte wohl mein letzter Blogeintrag aus Tansania geklungen. Nun befinde ich mich schon seit Wochen wieder in Hamburg und bin jeden Morgen aufs neue überrascht, meine Decke statt des gewohnten Mückennetzes zu erblicken. Das erste mal Bus zu fahren endete damit, noch eine Viertelstunde im leeren Bus zu sitzen, bis ich bemerkte, dass wir bereits bei der Endstation stehen. Wieso hat mir das denn niemand gesagt? Wo waren all die schreienden und drängelnden Menschen, die sich aus dem Bus kämpfen? Wo waren die Getränkeverkäufer an den Fenstern? Minutiös geordnete Zeitpläne. Eine riesige Auswahl an Lebensmitteln und ein enormes Konsumverhalten. An diese Dinge und vieles andere werde ich mich wieder gewöhnen müssen. „Leere“ Straßen, unauffällig sein und nicht zuletzt die Kälte – klimatisch sowie das unpersönlichere Miteinander auf der Straße. Am liebsten würde ich jeden freundlich grüßen und fragen, wie es ihm oder ihr geht. Aber dabei komme ich mir schon etwas komisch vor und wundere mich, woran es liegen mag, dass wir ein so viel geringeres Interesse an unseren „fremden“ Mitmenschen zeigen. Ich werde es mir jedenfalls nicht nehmen lassen, weiterhin jedem einen guten Tag zu wünschen und freue mich über all die Menschen, die meinen Gruß erwidern und sich ein Lächeln auf ihre Lippen stiehlt.
Aber blicken wir noch einmal kurz zurück auf die vergangenen Wochen:
Am 16. August empfingen Stela und ich unsere vier NachfolgerInnen am Flughafen. In diesem Moment wurde uns so richtig bewusst, dass die letzte Zeit unserer 13 Monate angebrochen ist und uns nur noch wenige Tage bleiben. Wir loslassen und Platz machen müssen – einfacher gesagt als getan. Da dieses Jahr alle vier Kawaida e.V. Projekte einen Freiwilligen bekamen hatten Stela und ich die Tage alle Hand zu tun. Das erste mal durch Ubungo laufen, in überfüllten Bussen fahren, an der duka (Gemischtwarenladen) einkaufen und die ersten Begrüßungsfloskeln lehren. Ich fühlte mich sehr an meine Anfangszeit zurückversetzt und genau wie unsere Vorgänger damals, sahen auch wir uns schnell in der „Elternrolle“ ;-). Immer war man wachsam, dass nicht einer unserer „Schützlinge“ von einem Bus überrollt oder die Tasche von der Schulter gerissen wird. Man zählte all die Regeln auf, die man selbst schon fast wieder vergessen hatte – so natürlich waren sie für einen geworden. Neben der Einführung in das Leben vor Ort mussten wir auf Grund der begrenzten Zeit auch sehr schnell den ersten Kontakt zu den Projektstellen knüpfen. Dies stellte sich besonders bei den zwei, in unserem Jahrgang unbesetzten, Stellen der Feuerwehr und dem Kindergarten als schwierig heraus. Nach einigen Missverständnissen bekamen wir aber auch dies geregelt. Unsere direkten Nachfolger haben wir eigenständig eingearbeitet und ihnen einen ersten Eindruck der neuen Arbeit vermitteln können. Aber auch die anderen zwei haben wir begleitet und unser bestes gegeben, den Start so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch wenn es, wie in fast allen Projekten, Schwierigkeiten gibt und geben wird hatten glaube ich alle ein gutes Gefühl. Viel mehr kann man in 3 Wochen wohl auch kaum erwarten.
Persönlich haben wir uns hervorragend verstanden und neben vielen abendlichen, feuchtfröhlichen, Gesprächs- und Spielrunden auch recht schnell Freundschaften geschlossen. Somit habe diese letzte Zeit sehr genossen und danke unseren „Neuen“ für ihre unermüdliche Wissbegierde und dafür, dass sie unser (ich gebe zu primär mein :D) straffes und anstrengendes Programm so begeistert mitgemacht haben!
Auch wenn ich es oft verdrängt habe stand aber nun natürlich der Abschied im Raum. Der Abschied von einer neuen Heimat, Freunden und Personen, welche einem ans Herz gewachsen sind, der Projektstelle und ganz besonders Abschied von einem einmaligen Lebensabschnitt. Dies fiel mehr nicht so leicht wie zuerst gedacht. Der Abschied von „meinen“ Frauen mit gemeinsamen Essen am Strand, die offizielle Verabschiedung von TanCraft mit unzähligen Geschenken, Lebewohl sagen zu all den Freunden, Jesca und Limika, dem Chipsi Verkäufer, unseren duka Verkäufern, ja selbst von den Schreinern neben unserem Haus, die ich unzählige male für ihre Kreissäge Samstag morgens um 7 verflucht habe, waren sehr emotional. Die Trennung von mir wichtig gewordenen Personen war in diesen letzten Tagen sehr schwer.
Doch dann hatte ich auch kaum mehr Zeit darüber nachzugrübeln. Es ging zum Flughafen, zuerst nach Dubai und dann weiter nach Hamburg, wo ich von meiner Familie empfangen wurde und einen sehr schönen Tag hatte. Die Tage im Anschluss hieß es einerseits erst einmal Ankommen. Freunde und Familie besuchen, wieder passende Kleidung kaufen, lang vermisstes ESSEN essen und sich an all die Kleinigkeiten gewöhnen. Doch schon 3 Tage später hatte ich auch schon ein Vorstellungsgespräch und es ging wenige Wochen darauf los mit einem Praktikum bei Mercedes Benz. Nach diesem sollen noch 2 weitere Praktika folgen, bis ich dann kommendes Jahr voraussichtlich anfangen werde zu studieren.
Bevor ich mich von meinen Einträgen auf diesem Blog vorerst verabschiede erwartet euch in den kommenden Tagen noch mein letzter Weltwärtsbericht (Ganzjahresbericht). Trotzdem möchte ich schon einmal an dieser Stelle danke sagen, für alle die mich in diesem Jahr (insbesondere auf diesem Blog) begleitet und sich Zeit genommen haben meine Berichte zu lesen.
Mit freundlichen und dankbaren Grüßen
Patrick M.